"Im Anfang liegt alles beschlossen": Hannah Arendts politisches Denken im Schatten eines Heideggerschen problems

Continental Philosophy Review

Volumn 30, Issue 1, 1997, Pages 35-47

  Grossmann, Andreas ^a  

^a RUHR UNIVERSITY BOCHUM   (Germany)

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EID: 53249101616     PISSN: 13872842     EISSN: 15731103     Source Type: Journal    
DOI: None     Document Type: Article

References (75)

1. Vgl. D. Barley, Hannah Arendt. Einführung in ihr Werk, Freiburg/München 1990, 41ff., 44ff.,
2. ferner jüngst S. Benhabib, The Reluctant Modernism of Hannah Arendt, Thousand Oaks: Sage Publications, 1996, 102ff.,
3. sowie Dana R. Villa, Arendt and Heidegger. The Fate of the Political, Princeton: Princeton University Press, 1996, bes. 113ff. ("The Heideggerian Roots of Arendt's Political Theory").
4. Vgl. dazu den Hinweis bei O. Pöggeler, Schritte zu einer hermeneutischen Philosophie, Freiburg/München 1994, 83f.
5. E. Vollrath, Hannah Arendt und Martin Heidegger, in: A. Gethmann-Siefert/O. Pöggeler (Hg.), Heidegger und die praktische Philosophie, Frankfurt a.M. 1988, 357ff., hier 358.
6. M. Heidegger, Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte 'Probleme' der 'Logik', GA 45, Frankfurt a.M. 1984, 36.
7. G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 20, hg. von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Frankfurt a.M. 1971, 510.
8. Vgl. z.B. Heideggers Brief an E. Blochmann vom 19. Dezember 1932: M. Heidegger/E. Blochmann, Briefwechsel 1918-1969, hg. von J.W. Storck, Marbach a.N. 1989, 55f.
9. M. Heidegger, Hölderlins Hymnen 'Germanien' und 'Der Rhein', GA 39, Frankfurt a.M. 1980, 1.
10. A.a.O., 11 und passim.
11. Siehe A. Großmann, Spur zum Heiligen. Kunst und Geschichte im Widerstreit zwischen Hegel und Heidegger, Bonn: Bouvier, 1996.
12. M. Heidegger, Hölderlins Hymnen 'Germanien' und 'Der Rhein', a.a.O., 64, 74, 217.
13. A.a.O., 214.
14. M. Heidegger, Grundfragen der Philosophie, a.a.O., 37, vgl. 407.
15. M. Heidegger, Hölderlins Hymne 'Der Ister', GA 53, Frankfurt a.M. 1984, 99.
16. M. Heidegger, Parmenides, GA 54, Frankfurt a.M. 1982, 135, 142.
17. M. Heidegger, Heraklit, GA 55, Frankfurt a.M. 1979, 11f.
18. 9 1988, 23f.
19. So Heidegger brieflich gegenüber E. Blochmann unter dem 3. März 1947. Siehe M. Heidegger/E. Blochmann, Briefwechsel, a.a.O., 93.
20. 7 1988, 45.
21. A.a.O., 40.
22. So äußert sich Heidegger explizit etwa in einem Brief an Erhart Kästner zu Weihnachten 1963: Hölderlin, heißt es dort, "ist für uns ein Schicksal". Und deshalb bleibt es Heidegger zufolge dem Denken geboten, dem Schicksal dieser Dichtung "schicklich" zu "entsprechen". "Dem Sinnen und Denken", erklärt Heidegger, "liegt nur das Eine ob, dem Dichter vorzudenken, um dann vor ihm zurückzutreten." Denn "er ruft in die Wende der Zeit". Siehe M. Heidegger/E. Kästner, Briefwechsel 1953-1974, hg. von H.W. Petzet, Frankfurt a.M. 1986, 59ff.
23. Diesen Erfahrungshintergrund von Arendts Denken macht Richard Bernstein mit Nachdruck geltend. Siehe Richard J. Bernstein, Hannah Arendt and the Jewish Question, Cambridge: Polity Press, 1996, 11, 32, 52 und passim.
24. Dies betont Dana R. Villa, Arendt and Heidegger, a.a.O., 13: "Paradoxically, Heidegger's thought provides the absolutely essential background for Arendt's rethinking of the political: without his 'shift in paradigm,' her project would be unimaginable." - Von dieser treffenden Einsicht aus kommt Villa indessen zu Einschätzungen, die mit dem hier vertretenen Interpretationsansatz schwerlich kompatibel sein dürften: Heidegger entpuppt sich als Vorläufer einer nachmetaphysischen Handlungstheorie (a.a.O., 212, 242, 260), Arendts politische Theorie wird affirmiert als eine im Widerspruch gegen das teleologische Paradigma der Tradition die spezifische Autonomie des Handelns allererst wieder entdeckende Konzeption (vgl. a.a.O., 47, 52). Daß damit gewichtige Konstellationen und Motive von Arendts Denken benannt sind, steht außer Zweifel. Die Frage ist aber, ob die Würdigung der Motive Arendts zureicht, um ihr Denken in der umfassenden Weise und à tout prix zu verteidigen, wie dies Villa (unter vielleicht doch allzu postmodernen Vorzeichen) anstrebt.
25. H. Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben, Mußnchen/Zußrich 6 1989, 164.
26. A.a.O., 166f., 242f.; vgl. Über die Revolution, München/Zürich 3 1986, 272, 275f.
27. H. Arendt, Vita activa, a.a.O., 173f., 180.
28. Vgl. a.a.O., 191.
29. Vgl. a.a.O., 242f.
30. 9 1989, 306, 333). Verdeckt ihre wiederholte Polemik also vielleicht nur einen bestehenden Grundkonsens? - Daß Arendts Rede vom Handeln als "Wunder" andererseits durchaus in Analogie zum religiösen Begriff des Wunders zu sehen ist, zeigt ihr Rekurs auf neutestamentliche Texte in Vita activa, belegen eindrücklich aber auch die unlängst edierten Nachlaß-Fragmente. Vgl. Vita activa, a.a.O., 243ff.; Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlaß, hg. von U. Ludz, München/Zürich 1993, 32: ". . . jeder neue Anfang ist seiner Natur nach ein Wunder . . . In diesem Sinne entspricht der religiösen Transzendenz des Wunderglaubens die real nachweisbare Transzendenz jeden Anfangs mit Bezug auf den Prozeßzusammenhang, in den er einbricht"; 34: "Der entscheidende Unterschied zwischen den 'unendlichen Unwahrscheinlichkeiten', auf denen irdisch-menschliches Leben beruht, und den Ereignis-Wundern im Bereich menschlicher Angelegenheiten selbst ist natürlich, daß es hier einen Wundertäter gibt und daß der Mensch selbst offenbar auf eine höchst wunderbare und geheimnisvolle Weise dazu begabt ist, Wunder zu tun. Diese Begabung nennen wir im gewöhnlichen und abgegriffenen Sprachgebrauch das Handeln."
31. J Derrida, Gesetzeskraft. Der "mystische Grund der Autorität", Frankfurt a.M. 1991, 83.
32. O. Höffe, Politische Ethik im Gespräch mit Hannah Arendt, in: P. Kemper (Hg.), Die Zukunft des Politischen. Ausblicke auf Hannah Arendt, Frankfurt a.M. 1993, 13ff., hier 32;
33. vgl. auch H. Bielefeldt, Wiedergewinnung des Politischen. Eine Einführung in Hannah Arendts politisches Denken, Würzburg 1993, 90.
34. Die "Vagheit" und "mangelnde Konkretheit" von Arendts Handlungs - und Politikbegriff moniert M. Canovan, The Political Thought of Hannah Arendt, London 1977, 62, 68, 76, 78f.
35. Von der "Inhaltsleere" der "Arendtschen Deutung des Politischen" spricht K. Hartmann, Handlungstheorien im Politischen, in: Perspektiven der Philosophie 10 (1984), 11ff., hier 33.
36. Vgl. auch den Einwand von Michael G. Gottsegen, The Political Thought of Hannah Arendt, Albany: SUNY Press, 1994, 66: "In the political sphere no less than in any other, a topic of some kind must be placed upon the table, for without something to talk about the self-disclosive interaction that Arendt wants so much to foster cannot occur."
37. Aristoteles, Eth. Nic. X, 11776. Arendts problematische Separierung des Politischen von jeglichen gesellschaftlichen und sozialen Komponenten hat auch in der jüngsten Diskussion wiederholt Kritik hervorgerufen. Siehe etwa S. Benhabib, The Reluctant Modernism of Hannah Arendt, a.a.O., 138ff.;
38. Maurizio P. d'Entrèves, The Political Philosophy of Hannah Arendt, London: Routledge, 1994, 58ff.;
39. Michael G. Gottsegen, The Political Thought of Hannah Arendt, a.a.O., 62ff.;
40. Martin W. Schnell, Phänomenologie des Politischen, Münchem 1995, 213ff.
41. Die Problematik von Arendts exklusivem Politikverständnis ist durchaus auch bei Villa gesehen. Doch sucht er den Ansatz Arendts durch den Verweis auf "the motive behind her theory of action", das Handeln nämlich in seiner "an-archischen" (Schürmann) Spezifität herauszustellen, dann doch eher zu rechtfertigen. Siehe Dana R. Villa, Arendt and Heidegger, a.a.O., 41.
42. -Zum Begriff des "anarchischen" im Sinne eines teleologisch nicht-determinierten Handelns vgl. R. Schürmann, Le principe d'anarchie. Heidegger et la question de l'agir, Paris: Seuil, 1982.
43. 21993, 435.
44. Vgl. zur Kritik auch S. Benhabib, The Reluctant Modernism of Hannah Arendt, a.a.O., 194;
45. H. Bielefeldt, Wiedergewinnung des Politischen, a.a.O., 91;
46. J. Habermas, Hannah Arendts Begriff der Macht, in: A. Reif (Hg.), Hannah Arendt. Materialien zu ihrem Werk, Wien u.a. 1979, 287ff., bes. 295f., 298, 301;
47. O. Höffe, Politische Ethik im Gespräch mit Hannah Arendt, a.a.O., 23.
48. H. Arendt, Vita activa, a.a.O., 191, 200; vgl. 169 ("Bühne der Welt").
49. A.a.O., 202.
50. A.a.O., 187.
51. A.a.O., 200. Für eine (freilich positive) Würdigung von Arendts "Ästhetizismus" vgl. Dana R. Villa, Arendt and Heidegger, a.a.O., 80ff., 266.
52. Inwiefern Arendts extremer "Agonismus" etwa durch ihre Theorie des Versprechens (vgl. Vita activa, a.a.O., 239ff.) und im besonderen die späte Aneignung von Kants Kritik der Urteilskraft in Schranken gewiesen wird, kann hier nicht erörtert werden. Vgl. dazu aber die Ausführungen bei Michael G. Gottsegen, The Political Thought of Hannah Arendt, a.a.O., 59ff. und 171ff.
53. und Dana R. Villa, Arendt and Heidegger, a.a.O., 99ff.
54. Zu Arendts - durchaus idiosynkratischer - Aneignung Kants siehe auch R. Beiner, Judging in a World of Appearances: A Commentary on Hannah Arendt's Unwritten Finale, in: Lewis P. Hinchman/Sandra K. Hinchman (Hg.), Hannah Arendt. Critical Essays, Albany: SUNY Press, 1994, 365ff.;
55. S. Benhabib, The Reluctant Modernism of Hannah Arendt, a.a.O., 185ff.,
56. sowie Maurizio P. d'Entrèves, The Political Philosophy of Hannah Arendt, a.a.O., 111ff.
57. H. Arendt, Über die Revolution, a.a.O., 75, 85.
58. Diese historisch fragwürdige Apartsetzung der Amerikanischen von der Französischen Revolution und das damit einhergehende "idealtypische" Bild der Revolution ist nicht unwidersprochen geblieben. Vgl. etwa R. Nisbet, Hannah Arendt und die amerikanische Revolution, und E.J. Hobsbawm, Hannah Arendt über die Revolution, beide Beiträge in: A. Reif (Hg.), Hannah Arendt, a.a.O., 245ff. und 263ff.
59. H. Arendt, Über die Revolution, a.a.O., 21.
60. A.a.O., 41; 184.
61. A.a.O., 191.
62. A.a.O., 256, 263.
63. A.a.O., 265.
64. A.a.O., 263. Vgl. dazu auch Martin W. Schnell, Phänomenologie des Politischen, a.a.O., 297ff. ("Das Problem der politischen Gründung: Autorität und Verbindlichkeit").
65. Vgl. a.a.O., 279; 284f. Arendt sieht den von ihr konstatierten "Gedächtnisschwund" in Parallele zu den "Folgen des Eindringens der Gesellschaft in den öffentlichen Bereich" (285).
66. Vgl. a.a.O., 298.
67. A.a.O., 299.
68. A.a.O., 360.
69. E. Vollrath, Hannah Arendts 'Kritik der politischen Urteilskraft', in: P. Kemper (Hg.), Die Zukunft des Politischen, a.a.O., 34ff., hier 45;
70. vgl. bereits M. Canovan, The Political Thought of Hannah Arendt, a.a.O., 14.
71. H. Arendt, Über die Revolution, a.a.O., 354.
72. E. Levinas, Totalität und Unendlichkeit, a.a.O., 354.
73. Vgl. B. Waldenfels, Ordnung im Zwielicht, Frankfurt a.M. 1987, bes. 173ff. ("Das Ordentliche und das Außerordentliche").
74. Vgl. H. Arendt, Was ist Politik?, a.a.O., 35.
75. Im Anschluß an Hegel behauptet den "Vorrang der Ordnung vor der Subjektivität" in diesem Sinne pointiert R. Bubner, Welche Rationalität bekommt der Gesellschaft? Vier Kapitel aus dem Naturrecht, Frankfurt a.M. 1996, 168ff.